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Briefe 7 - 9


7. Brief

Liebste Lilly,

mein Herz ruft nach dir. Kannst du es hören? Es schreit deinen Namen! Antworte ihm doch einmal! Ein einziges Mal, Lilly. Meine Lilly, du bist mir so fern. Unser Band wird auf die Probe gestellt. Wenn es denn für dich noch existiert. Für mich wird es immer bleiben. Denn so eine Liebe bleib immer im Gedächtnis des  Herzens und der Seele. Mag der Verstand auch vergessen, das Herz vergisst niemals! Niemals, niemals, niemals, meine Lilly.

Und nun möchte ich dich an den zweiten Tag in London erinnern. Der Tag, nachdem ich zu weit gegangen war.

Ich erwachte früh morgens. Als ich die Augen aufschlug, wusste ich erst nicht wo ich war. Für ein paar Sekunden dachte ich, es sei alles in Ordnung. Aber dann stürzte die vergangene Nacht auf mich ein. Alles wiederholte sich vor meinem inneren Auge. War nun alles verloren?

Ich blickte nach rechts neben mir. Dort lagst du. Dein blondes Haar auf dem weißen Seidenkissen ausgebreitet, ein leichtes Lächeln auf dem Gesicht. Hatte ich dich jetzt verloren? Nur weil ich meine Gefühle hatte sprechen lassen? Lilly, ich hatte zu dem Zeitpunkt Angst, als ginge es um mein Leben. Nein, um deines. Du warst mir wichtiger als mein Leben, das nun eh verpfuscht war, da ich Idiot mich hatte gehen lassen!

Ich ging ins Wohnzimmer. Gestern Abend hatte ich es nicht mehr geschafft, mich umzuziehen und beschloss daher, schnell zu duschen. Im Bad zog ich mich aus, sprang unter die Dusche. Ich glaubte, mit dem Wasser all die Erinnerungen an die letzte Nacht fortzuwaschen. Aber es klappte einfach nicht. Stattdessen erdrückten mich meine Vorwürfe. Lilly, ich wollte dich nicht verlieren! Auf keinen Fall, mein Engelchen Lilly.

Ich kam gerade unter der Dusche weg, wickelte das Handtuch um meine Hüften, als du ins Bad kamst. Erschrocken darüber, mich hier halbnackt zu treffen, riefst du: „Oh, tut mir leid!“

Ich konnte dich gerade noch am Handgelenk greifen. Du warfst mir einen Blick zu, der mich wieder einmal in der Seele traf. Bevor mich der Mut wieder verließ, sagte ich, ohne dir in die Augen zu sehen: „Lilly, das mit gestern Abend... ich wollte es nicht. Lilly, hörst du mir überhaupt zu?“

Ich verstärkte den Griff um dein Handgelenk, da ich das Gefühl hatte du hörtest mir nicht zu. Mit gesenktem Blick hieltst du deinen Kopf fest und flüstertest: „Sebastian, es war nicht deine Schuld! Ich habe einfach zu viel getrunken. Ich war nicht mehr bei mir und habe es alles gar nicht so richtig erlebt. Lass uns die Sache einfach vergessen!“

Mein Gott! Ich konnte es kaum glauben. Du wolltest die Sache einfach vergessen. Meine Angst war unbegründet? Ja, das war sie. Danke, mein Stern! Danke, mein Herz! Danke, Lilly!

Ich wusste einfach nichts anderes, als dich in den Arm zu nehmen. Und anstatt mich von dir zu schieben, legtest du deine Arme um meinen Rücken. Ich atmete den sanften Geruch deiner Haut und deiner Haare ein, die mich leicht im Gesicht kitzelten.

Ich konnte wirklich nicht glauben, dass du mir verziehen hattest. Es war das schönste Erlebnis meines Lebens. Ich hielt dich im Arm, in einem Hotel in deiner Stadt, Lilly.

Dann lösten wir uns voneinander. Sanft lächelnd schautest du mir in die Augen.

Und wieder schrie mein Herz nach dir. Ein weiterer Kampf zwischen ihm und meinem Verstand begann. Ein weiteres Mal wollte ich diese Angst, zu weit zu gehen, nicht erleben. Lieber hatte ich dich als Freundin in meinem Leben, als das ich dich nach einer Nacht verliere. Daher ließ ich meinen Verstand gewinnen.

Ich verließ das Bad, damit du dich fertig machen konntest und ich zog mich derweil im Schlafzimmer an. Die Sonne schien durch die weißen Vorhänge, wodurch das Zimmer in ein helles, weißes Licht getaucht wurde. Ich fiel rücklings in die weichen Kissen des Bettes. Fast schlief ich ein, da ich wieder die innere Ruhe gefunden hatte. Bis jetzt war die Gefahr vor einem „Zuweitgehen“ gebannt. Du wolltest es vergessen, ich setzte mir die Grenze, die ich nicht überschreiten durfte. Von jetzt an schwor ich mir, mich unter Kontrolle zu behalten. Für dich, mein Schatz!

Du kamst ins Schlafzimmer zurück, trugst das gleiche Outfit wie damals im Freizeitpark. Ich musste mich gleich wieder an den Tag erinnern, als ich dich sah.

„Was machen wir heute?“, fragtest du beim Öffnen der Gardinen.

„Lass uns bummeln und London genießen!“, schlug ich vor, da ich einfach zu geblendet von dir war.

Ein traumhaftes Bild, wie du vor dem sonnenbeschienenen Fenster standst und mich angeschaut hast. Deine noch nassen Haare hingen schlaff um dein Gesicht und glitzerte geheimnisvoll im Licht. Ein Engel...

Ein Lächeln huschte über dein Gesicht. Egal, was ich nur sagte, du lächeltest mich immer an. Ich liebe dich so sehr, Lilly! So sehr... Und noch mehr, als du so vor dem Fenster verweiltest und nichts sagtest. Ich spürte, wie dieses Band zwischen uns wieder gefestigt wurde, da es gestern Abend Risse bekommen hatte. Ich spürte, dass du es genossen hast, mich zu beobachten und zu wissen, dass ich da war – in deiner Stadt...

„Wir werden London unsicher machen!“, lachtest du plötzlich auf, bist auf das Bett gestürzt, hast ein Kissen gegriffen und es mir ins Gesicht geschmissen. Sofort suchte ich nach meinem und rächte mich dafür. Laut lachend sprangen wir in dem Bett herum. Die Federn aus den Kissen flogen wild herum. Ich schleuderte dir mein Kissen an den Kopf, was du bei mir wiederholtest. Mit deiner Kraft hatte ich nicht gerechnet. Taumelnd verlor ich das Gleichgewicht, fiel rückwärts vom Bett und schlug auf dem weichen Teppich auf. Als ich unten lag, beobachtete ich die stumm fallenden Federn. Dann tauchtest du über der Bettkante auf. Eine Feder landete auf deinem Haar. Du sahst aus wie ein Engel auf einer Wolke. Um dich herum die schwebenden Federn, das Kissen halb vom Bett gefallen und das helle Sonnenlicht – es war einfach nur wundervoll himmlisch.

„Hast du dir was getan?“, fragtest du mich zwar fürsorglich, aber dein Lachen konntest du auch nicht verbergen.

Ich schaute zu dir herauf und meinte matt: „Es geht schon wieder! Ich habe nur eine mittlere Gehirnerschütterung...“

Stöhnend kam ich wieder auf die Beine. Du drehtest dich auf den Rücken und betrachtetest mich, wie ich mir die schmerzende Stelle am Hinterkopf rieb.

Lilly, du bereitest mir nicht nur seelische sondern auch körperliche Schmerzen. Die allerdings schwinden mit der Zeit. Der Schmerz in der Seele und ein gebrochenes Herz verfolgt einen ein ganzes Leben lang. Solche schwarzen Streifen in einer hellen Seele nimmt man mit ins Grab. Und obwohl diese Streifen schmerzen, wie tausende Nadeln, möchte man sie nicht hergeben. Denn die Person, die sie verursacht hat, lag einem am Herzen. Oder tut es immer noch...

Wir verließen das Zimmer, wie es war: Voller Federn und den leeren Kissenhüllen, aus denen sie stammten, ein durchwühltes Bett. Es erweckte den Eindruck, als habe sich ein Liebespaar hier vergnügt. Uns war das klar und ließen es dabei bleiben. Sollte das Personal doch denken, wir seien zusammen! Seit vorhin war meine Angst, wie gesagt, verflogen. Sollte doch kommen, was wollte: Wir gehörten zusammen, egal, was zwischen uns passierte.

Auf dem Weg zum Lift ergriffst du meine Hand und sagtest mit einem Lächeln: „Und nach dem Essen gehen wir in die City!“

Ja, in die City. Eine Stadt voller neuer Eindrücke, voller fremder Kulturen, voller Erinnerungen an dich!

Wirst du mir glauben, dass ich wieder in London war? Wirst du mir auch glauben, dass ich überall hin ging, wo wir auch schon gemeinsam waren? Oh Lilly, wärest du nicht gegangen, hätte ich dich mitgenommen. Ich ging auf die Portobello Road, wo du dir dieses kitschige Bild mit den quietschbunten Gummibären kauftest, das du dann zu Hause in deine Küche hingst. Du wirst es nicht glauben, aber ich habe bei meinem Besuch der Portobello Road nach diesem Bild Ausschau gehalten. Bei einem alten Händler mit einem durchtriebenen Blick fand ich es. Als ich nach dem Preis fragte, sagte er: „Only 100 Pounds!“

Ich sagte ihm, er sei verrückt. Und Lilly, als er mir das Bild für „nur“ 80 Pfund anbot, kaufte ich es. Nur weil du es bei unserem gemeinsamen Londontrip gekauft hattest. Lilly, es hängen mir unglaubliche Erinnerungen an diesem Bild. Als du dir es in diesem komischen Geschäft mit allerlei Kitschartikeln ausgesucht und bezahlt hattest, schleppten wir abwechselnd ein riesen Bild mit drei Gummibärchen durch halb London. Du weißt, die Londoner sind einiges gewöhnt, aber einen schimpfenden Deutschen (mich) mit einem Schinken von Bild unterm Arm  und eine immerzu lachende Deutsche (dich) nebenher, das kannten auch sie noch nicht. Als mich dann irgendwann der Hunger überkam, suchten wir ein Restaurant auf. In der Nähe gab es nur eines dieser feinen Lokale, in denen die wichtigsten Londoner Geschäftsleute zu Mittag aßen. Wir betraten dieses Lokal (und Liebste, ich aß wieder in diesem Lokal bei meinem Besuch in London, da ich mich dort an dich erinnerte, so als seiest du bei mir, bestellte den gleichen Tisch, ging um die selbe Uhrzeit hinein). Ich trug dein Bild unterm rechten Arm, während du den piekfeinen Kellner nach einem freien Tisch fragtest und ließ mich schief von den Geschäftsmännern angucken. Mir war das ganze so peinlich, Lilly, doch ließ es über mich ergehen – für dich! Nur für dich machte ich mich gerne zum Deppen. Für dich, das weißt du, machte ich alles.

Bei unserem Essen lehnte ich das Bild gegen meinen Stuhl. Als du gerade den Mund voller Salat hattest, blieb ein Kellner mit dem Bein an dem Rahmen hängen und das Kunstwerk fiel um. Du liebtest dein Bild, blicktest den Kellner, der das Bild mit einem abfälligen Blick wieder aufstellte, wütend an und riefst mit dem Mund voller Salat: „Sagen Sie mal! Ist das Bild durchsichtig? Ihr menschlichen Pinguine meint wohl, ihr könnt euch alles erlauben, was? Also, das glaub ich jetzt nicht!“

Mein Gott, Lilly, ich vergöttere dich, da du das alles auf Deutsch von dir gegeben hast. Keiner verstand dich. Ansonsten, glaube ich, hätte man uns rausgeschmissen.

Nachdem wir das Restaurant wieder verlassen hatten, bestandst du auf einen Besuch vom Big Ben.

Bei meinem alleinigen Londontrip fuhr ich mit der gleichen Linie zum Kirchturm, wie wir damals. Ich setzte mich auf den gleichen Platz. Weißt du noch, wo wir saßen? Dritte Reihe von hinten auf der linken Seite. Du wolltest unbedingt am Fenster sitzen, damit du nichts auf der Fahrt durch London verpasstest. Ich klemmte dein Bild zwischen meine Füße.

Doch als du dann die unendlich vielen Stufen von Big Ben erklimmen wolltest, streikte ich. Mit dem großen Gummibärenbild wollte ich nicht auf den Turm klettern. Und dabei wusstest du nicht einmal, ob man überhaupt in den Turm kommen konnte. Ohne uns darüber zu informieren, machten wir uns auf den Weg zurück zum Hotel. Zu Fuß, um Geld zu sparen... Ich mit dem Bild unterm Arm, du mit gespielter schlechter Laune, da ich nicht auf den Turm wollte.

Lilly, ich stand wieder unter Big Ben. Hielt das gleiche Bild unterm gleichen Arm, schaute hinauf zum großen Ziffernblatt, fragte mich, ob man dort überhaupt hinauf kommen konnte. Ganz in der Nähe stand ein Bobby, den ich hätte danach fragen können. Aber ich wollte es nicht wissen. Lilly, ich wollte nichts wissen, was du nicht auch wusstest. Ich wollte London so verlassen wie damals, als du an meiner Seite warst: Ratlos, ob Big Ben zu erklimmen war.

Nein, ich machte mich auf den Weg zum Hotel. Zum Ritz. Auf den Weg zur Suite mit den weißen Seidenvorhängen, den goldenen Armaturen im Marmorbad, im dritten Stock. Unsere Suite. Unsere Suite, in der wir gemeinsam drei wundervolle Tage erlebten. Jedes Mal, wenn ich morgens erwachte, sah ich dich neben mir liegen. Dein Haar genauso auf dem Kissen ausgebreitet, das selbe Lächeln auf den Lippen, als wir gemeinsam in dem Bett lagen. Alles war an meinem Wochenende wie an unserem. Ich erlebte alles noch einmal. An jedem Tag unternahm ich das gleiche wie mit dir. Manchmal glaubte ich, deine Anwesenheit zu spüren. Manchmal dachte ich, du kämest jeden Moment wieder aus einem schrillen Laden heraus und würdest von den vielen Kleidern schwärmen. Manchmal bildete ich mir ein, die Leute drehten sich nach uns um, obwohl nur ich durch die Straßen lief. Aber eines fühlte ich immer: Meine Sehnsucht zu dir.

Und am Sonntag im Flugzeug reservierte ich zwei Plätze: Einen am Fenster und den links daneben. Den am Fenster ließ ich frei und konnte dich sehen, wie du auf die Welt herunterblicktest, umschienen von dem hellen Licht der Sonne. Ich weiß, ich bin verrückt, Lilly, aber ich vermisse dich so sehr. Und immer wieder die Frage:

Warum hast du mich verlassen?

Sebastian

 

8. Brief

Liebste Lilly,

ich sitze in meiner Küche, starre auf das Bild aus der Portobello Road. Ich kann dich einfach nicht vergessen, Liebste. Du bist allgegenwärtig. Wenn ich in meinem Wohnzimmer bin, wenn ich auf der Straße laufe oder wenn ich schlafe. Besonders nachts sehe ich dich oft. Dann lächelst du mich immer so an wie früher, als du noch bei mir warst. Ich habe dich immer noch so in Erinnerung, wie bevor du gingst. Blonde Haare, meist seitlich gescheitelt und manchmal mit Pferdeschwanz. Blaue Augen, die mehr als Worte sagen konnten und mir so viel bedeuteten. Lilly, du bist tief in meinem Herzen verankert, bleibst bis zu meinem Tode in mir drinnen versteckt. Vielleicht bin ich der einzige, der dich so sehr vermisst? Kannst du meine Liebe erfahren, wo du jetzt bist?

In meinem heutigen Brief möchte ich dir nur sagen: Nutze dein Leben!

 

Nutze jede einzelne Sekunde,

Jede von ihnen ist einmalig.

Nur in Gedanken

Kann man sie wiederholen.

Das Leben ist zu kurz,

Um es zu verschenken.

Nutze dein Leben,

Es gibt nur eine Chance.

 

Nutze diese Chance!

Sebastian

 

9. Brief

Liebste Lilly,

ein Leben ohne Sinn ist sinnlos. Es zieht an einem vorbei, ohne dass man es bemerkt. Nichts hat Bedeutung, niemand kann einem helfen – nur die Dunkelheit beherrscht einen. Überall um mich herum ist es dunkel, Lilly! Man hat mir meine Sonne genommen, den Sinn meines Daseins: Dich! Den einzigen Grund, es auf dieser Welt zu schaffen, zu kämpfen – zu leben! Mein Engel, ohne dich scheinen die einfachsten Dinge unmöglich. Ich kann nicht mehr schlafen, ich mag nicht mehr essen, mag nicht mehr aus dem Haus gehen. Nicht mehr lange und ich bin nur noch ein Phantom meiner selbst. Wie sehr wünsche ich mich in die Vergangenheit, ins bereits gelebte, erlebte.

Zwei Tage nachdem wir aus London zurückgekehrt waren, klingelte es an meiner Tür. Es warst du. Schon in deinen Augen konnte ich erkennen, dass dir etwas auf deiner zarten Seele brannte.

„Du, ich muss dir etwas wichtiges sagen!“, sagtest du in einer eigenartigen Stimmlage zu mir, als wir am Küchentisch Platz nahmen.

Es klang einerseits sehr erfreut, andererseits auch bedrückt. Und das machte mir Angst. Unbeschreibliche Angst, Lilly. Was war nur los mit dir? Was war nur geschehen? Würdest du mir etwas schlimmes sagen?

Ich blickte dir in die Augen. Ich merkte, dir fiel das Sprechen schwer. Immer wieder stockend erzähltest du mir dann, dass du nach Berlin fahren müsstest. Ein Einsatz als Polizistin bei einem großen Treffen verschiedener Staatsmänner. Ich dachte mir zunächst nichts dabei und freute mich für dich. Sicherlich würde es eine große Ehre für dich sein.

„Das ist es nicht,“, fügtest du hinzu, nachdem ich dir gratuliert hatte, „Ich komme nicht schnell zurück! Dieser Gipfel, er dauert eine Woche. Und ich muss schon eine Woche vorher nach Berlin!“

Diese Nachricht schlug mich nieder. Heftig wie ein Stoß zwischen die Rippen, nur das es mein Herz und meine Seele traf. Ich konnte nicht mehr klar denken, eine dunkle Wand schob sich in mein Gehirn. Sie nahm mir die Sicht zur Realität.

Ich ließ mich in meinen Stuhl zurücksinken. Mir wurde es schwer zu atmen. Fast wäre ich in Tränen ausgebrochen.

Ja, Engel, ich hätte fast geweint. In London, kannst du dich erinnern, da hatte ich geweint – wegen dir! Du bist die einzige Frau gewesen, wegen der ich jemals geweint hatte. Niemand zuvor hatte mich dazu gebracht. Lilly, du bist die Quelle meiner Tränen.

Du bemerktest meinen Zusammenbruch. Fürsorglich kamst du zu mir her, knietest dich neben mich. Ich vergrub mein Gesicht in den Händen. Deine Hand strich mir langsam und vorsichtig übers Knie. Wie zärtlich deine Berührungen immer waren. Fast wie ein schüchternes Kennenlernen des anderen, wie eine Katze, die ihre Kinder umsorgt.

„Es sind zwei Wochen, kein Abschied für immer!“, flüstertest du, „Zwei Wochen gehen vorbei. Bitte, beruhige dich! Ich hänge auch an dir und werde meinen besten Freund vermissen!“

Du würdest mich vermissen! Du hattest es wirklich gesagt. Ich hob meinen Kopf aus den Händen. Deine Augen flehten mich an, wieder zu lächeln. In ihnen konnte ich lesen, dass du ebenfalls traurig warst, mich zwei Wochen lang nicht zu sehen.

Ich konnte mir nicht vorstellen, es zwei Wochen lang ohne dich auszuhalten. Du warst, und bist, mein Lebensinhalt, meine Stütze in dem Sturm der Gefühle.

„Wann musst du fort?“, wollte ich wissen.

Du senktest deinen Blick, deine Hand erstarrte auf meinem Knie. Ich ergriff sie und hielt sie vorsichtig fest. Ich wollte nicht den Eindruck erwecken, dass ich dir wütend war. Nein, ganz im Gegenteil. Ich freute mich für dich, da du für diesen Einsatz eingeteilt worden warst. Und ich wusste, du würdest deinen Job ernst nehmen und die Politiker beschützen.

Deine Stimme klang abgewürgt, als du antwortetest: „Am Freitag!“

Das bedeutete nur noch zwei Tage, an denen ich dich sehen konnte. An denen ich in deiner Nähe sein durfte. Zwei Tage, an denen ich mich nicht nach dir sehnen und warten musste, auf dass du zurückkommst.

Ich sackte wieder vor Bitterkeit zusammen. Um mich zu trösten sagtest du: „Und bis dahin bleibe ich nur bei dir! Bei meinem besten Freund!“

Du fielst mir um den Hals. Ich schlang meine Arme um deinen zierlichen Körper. Hast du damals gemerkt, dass ich stumm an deine Schulter gelehnt weinte? Ich wollte dich nicht gehen lassen! Ich wusste, du nimmst deinen Job ernst, das habe ich dir ja schon gesagt, aber erst jetzt keimte in mir Angst um dich auf. Was würde passieren in Berlin? Würdest du die Politiker beschützen, auch wenn du somit in Gefahr geraten würdest? Würdest du dich gegen gewalttätige Demonstranten wehren? All diese Fragen brannten in mir, unausgesprochen wie immer...

Du löstest dich plötzlich von mir, lehntest deine Stirn an meine. Behutsam hast du mir über die Wange gestrichen.

„Ich pass auf mich auf, Sebastian!“, flüstertest du mir ganz leise zu und nahmst mich erneut in den Arm.

In diesem Moment hatten wir uns für uns alleine. Ich schob Berlin ganz weit von mir weg, wollte dich nun nur noch spüren. Deine Wange an meiner, es fühlte sich so traumhaft, ja wenn nicht sogar surreal an. Wie in einem Traum, aus dem ich jeden Moment erwachen könnte. Lilly, mein Herz rief leise nach dir. Leise, da es noch betäubt von deiner Nachricht war. Und vielleicht gewann es deswegen auch nicht den Kampf gegen meinen Verstand. Hätte ich dir ansonsten meine Gefühle offenbart? Vielleicht... ich weiß es nicht... möglicherweise.. Mut.. Angst... Alles liegt so dicht beieinander. Ohne Angst wäre der Mut nichts besonderes, andersherum ebenfalls. Hat man Mut, so hat man keine Angst. Und besitzt man keinen Mut, spürt man die Angst. Warum sind Gefühle so verwirrend? Und warum traute ich mich  nicht, den Preis der Liebe zu bezahlen? Und zwar den, dass ich deine Freundschaft zu mir zerstören könnte. Dieser Preis war mir zu hoch, Liebste Lilly.

Wir lagen uns lange in den Armen. Du hocktest immer noch vor mir, während ich auf dem Küchenstuhl saß. Es muss einfach nur ungemütlich für dich gewesen sein, aber du verharrtest so, wie du warst. Dann ließen wir uns los. Deine Augen versuchten, mir Mut zu zu sprechen. Ihr Blau strahlte heller als das Meer im Sonnenlicht. Ich versank völlig in dem Meer deiner Augen. Dachte, ich ertrinke. Und wieder warst du es, die mich rettete.

„Bringst du mich am Feitagmorgen zum Bahnhof?“

Eine große Überwindung, aus dem Meer voller Träume zu entspringen, aber ich fasste mich und antwortete, wobei ich dich ernst ansah: „Ich würde dich überall hinbringen!“

Du enthülltest dein wunderschönstes Lächeln, mit dem du einem Engel glichst. Hätte man mich gefragt, ob ich an Engel glaubte, so hätte ich geantwortet: „In meinem Herzen lebt ein Engel!“

Und der Engel bist du!

Sebastian

 
 
   
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